Gottes Reich ist schon angebrochen Die Herrschaft Gottes und wir In einem bekannten Kirchenlied, dem Taizé-Halleluja, heißt es: „Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt, suchet zuerst Gottes Reich.“ Dieses hoffnungsvolle Lied drückt ja eine Grundhaltung aus, die der Christ haben darf: Sorgt euch nicht, denn Gottes Reich ist bereits angebrochen. Eure Aufgabe ist es, dieses Reich zu suchen. Aber was ist das überhaupt, dieses Reich Gottes? Es geht beim Reich Gottes nicht um einen Ort, um ein Territorium – wie das britische Königreich oder das römische Reich – sondern es geht um einen Zustand. Im Reich Gottes regiert kein Mensch, kein König mit Machtgelüsten, auch keine Regierung, der es nur darum geht, oben zu bleiben, koste es, was es wolle – Korruption, falsche Wahlversprechen, Schönfärberei … Nein, hier herrscht jemand, der der Diener aller sein will, einer, der aus liebevoller Verantwortung regiert, dessen Sehnsucht es ist, Liebe zu geben und Liebe beim Menschen zu entzünden Nicht ein Mensch, sondern Gott regiert im Reich Gottes. Und weil Gott gut ist, kann ich mich seinem Willen, seiner Herrschaft anvertrauen. Indem ich mich seiner Herrschaft anvertraue, werde ich nicht unfrei, sondern gelange zu einer neuen Dimension der Freiheit: Ich gehe nicht mehr auf in den Sorgen dieser Welt. Gottes Willen tun – das bedeutet die Mitarbeit am Aufbau seines Reiches, seiner Herrschaft. Wie Leben unter der Herrschaft Gottes – oder besser in der Gemeinschaft mit Gott – aussieht, drückt, so meine ich, Jesus sehr schön aus, als er zu Beginn seiner Sendung in der Synagoge von Nazareth seinen Auftrag benennt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; / denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, / damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde / und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 2, 18f) – ein Text aus dem alttestamentlichen Buch Jesaja, den Jesus nun auf sich deutet. Das Reich Gottes ist also ein Zustand, wo die Armen eine frohe Botschaft hören, wo Gefangenen die Entlassung verkündet wird, wo Blinde wieder sehen, Zerschlagene befreit werden und dies – weil die Gnadenzeit des Herrn angebrochen ist, weil Gott selbst Mensch geworden ist. Immer dann, wenn wir Gottes hoffnungsvolles Wort hören, wenn wir spüren, dass es uns frei macht, wenn wir nach Zeiten des Trübsinns plötzlich durch die Begegnung mit dem Glauben wieder klar sehen – machen wir die Erfahrung auch heute, dass Gottes Reich angebrochen ist. Dann, wenn uns geholfen wird, wenn uns vergeben wird, wenn jemand uns aus Einsamkeit, aus Trauer befreit, wenn in Not jemand mit uns mitgeht, wenn wir Freundschaft erleben dürfen, Menschen begegnen, denen es nicht um Profit geht, sondern die in der Nachfolge Christi anderen Gutes tun – immer dann erfahren wir: Gottes Herrschaft ist angebrochen. Und wir sind gerufen, dabei mitzumachen: gerufen zu vergeben, zu trösten, zu beschenken, andern die Hand reichen, wir sind gerufen, Gutes zu tun, auch wenn es uns keinen Profit bringt. Immer dann, wenn wir das tun, sind wir Mitarbeiter Gottes, um mitzuhelfen, seine Herrschaft aufzubauen. Doch können wir Gottes Reich nicht zur Vollendung bringen. Es ist zwar schon angebrochen, aber es ist noch nicht vollendet. So sagt Jesus auch zu den Jüngern: „Es wird eine Zeit kommen, in der ihr euch danach sehnt, auch nur einen von den Tagen des Menschensohnes zu erleben; aber ihr werdet ihn nicht erleben.“ Jesus sagt seinen Jüngern, dass er gehen wird. Maria Magdalena muss bei der Begegnung mit dem Auferstandenen die Erfahrung machen, dass dieser zu ihr sagte: „Halte mich nicht fest.“ Den Emmausjüngern entzieht sich der auferstandene Jesus, nachdem sie ihn erkannt haben. Und genau diese Erfahrung machen Christen auch heute immer wieder. Nach Hoch-Zeiten der Gotteserfahrung und des Glaubens kommen Zeiten der Dürre. Sogar Heilige haben das erlebt, ja, man meint manchmal, dass gerade jene, die sich Gott besonders verbunden gefühlt haben – besonders harte Zeiten der Gottferne erlebt haben. Wir wissen das von Mutter Teresa, die offenbar 50 Jahre ihres Lebens immer wieder dieses Dunkel erlebt hat, wir wissen es von den Mystikern Johannes vom Kreuz und Teresa von Avila oder von der Gründerin der Salesianerinnen Johanna Franziska von Chantal. Wenn auch Sie diese Erfahrung gemacht haben, dass Gott ganz weit weg war, haben Sie also viele Weggefährten, die das auch erlebt haben. Die Erfahrung von Verlassensein erfahren wir immer wieder – so wie sie Gott selbst am Kreuz erfahren hat. Dies mag die eine Antwort Jesu auf unsere Frage sein: Warum entziehst du dich uns? Er antwortet nicht, sondern er leidet mit. Aber er verheißt uns auch, dass eines Tages das Reich Gottes in Fülle kommen wird. „Der Menschensohn wird an seinem Tag erscheinen.“ Halten wir diesen hoffnungsvollen Satz fest, erinnern wir uns daran, wenn wir Christus im Gottesdienst, in der Eucharistie, im Zeugnis der Heiligen, in der Begegnung mit anderen, in geistlichen Gesprächen, in Einkehrtagen begegnen. Ja, er ist immer wieder unter uns, aber er lässt sich nicht festhalten – und doch: Eines Tages wird der Tag des Menschensohns sein – und wir, die uns nach ihm sehnen, werden dabei sein. Urheber: Diakon Raymund Fobes
Gottes Reich ist schon angebrochen Die Herrschaft Gottes und wir In einem bekannten Kirchenlied, dem Taizé-Halleluja, heißt es: „Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt, suchet zuerst Gottes Reich.“ Dieses hoffnungsvolle Lied drückt ja eine Grundhaltung aus, die der Christ haben darf: Sorgt euch nicht, denn Gottes Reich ist bereits angebrochen. Eure Aufgabe ist es, dieses Reich zu suchen. Aber was ist das überhaupt, dieses Reich Gottes? Es geht beim Reich Gottes nicht um einen Ort, um ein Territorium – wie das britische Königreich oder das römische Reich – sondern es geht um einen Zustand. Im Reich Gottes regiert kein Mensch, kein König mit Machtgelüsten, auch keine Regierung, der es nur darum geht, oben zu bleiben, koste es, was es wolle – Korruption, falsche Wahlversprechen, Schönfärberei … Nein, hier herrscht jemand, der der Diener aller sein will, einer, der aus liebevoller Verantwortung regiert, dessen Sehnsucht es ist, Liebe zu geben und Liebe beim Menschen zu entzünden Nicht ein Mensch, sondern Gott regiert im Reich Gottes. Und weil Gott gut ist, kann ich mich seinem Willen, seiner Herrschaft anvertrauen. Indem ich mich seiner Herrschaft anvertraue, werde ich nicht unfrei, sondern gelange zu einer neuen Dimension der Freiheit: Ich gehe nicht mehr auf in den Sorgen dieser Welt. Gottes Willen tun – das bedeutet die Mitarbeit am Aufbau seines Reiches, seiner Herrschaft. Wie Leben unter der Herrschaft Gottes – oder besser in der Gemeinschaft mit Gott – aussieht, drückt, so meine ich, Jesus sehr schön aus, als er zu Beginn seiner Sendung in der Synagoge von Nazareth seinen Auftrag benennt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; / denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, / damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde / und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 2, 18f) – ein Text aus dem alttestamentlichen Buch Jesaja, den Jesus nun auf sich deutet. Das Reich Gottes ist also ein Zustand, wo die Armen eine frohe Botschaft hören, wo Gefangenen die Entlassung verkündet wird, wo Blinde wieder sehen, Zerschlagene befreit werden und dies – weil die Gnadenzeit des Herrn angebrochen ist, weil Gott selbst Mensch geworden ist. Immer dann, wenn wir Gottes hoffnungsvolles Wort hören, wenn wir spüren, dass es uns frei macht, wenn wir nach Zeiten des Trübsinns plötzlich durch die Begegnung mit dem Glauben wieder klar sehen – machen wir die Erfahrung auch heute, dass Gottes Reich angebrochen ist. Dann, wenn uns geholfen wird, wenn uns vergeben wird, wenn jemand uns aus Einsamkeit, aus Trauer befreit, wenn in Not jemand mit uns mitgeht, wenn wir Freundschaft erleben dürfen, Menschen begegnen, denen es nicht um Profit geht, sondern die in der Nachfolge Christi anderen Gutes tun – immer dann erfahren wir: Gottes Herrschaft ist angebrochen. Und wir sind gerufen, dabei mitzumachen: gerufen zu vergeben, zu trösten, zu beschenken, andern die Hand reichen, wir sind gerufen, Gutes zu tun, auch wenn es uns keinen Profit bringt. Immer dann, wenn wir das tun, sind wir Mitarbeiter Gottes, um mitzuhelfen, seine Herrschaft aufzubauen. Doch können wir Gottes Reich nicht zur Vollendung bringen. Es ist zwar schon angebrochen, aber es ist noch nicht vollendet. So sagt Jesus auch zu den Jüngern: „Es wird eine Zeit kommen, in der ihr euch danach sehnt, auch nur einen von den Tagen des Menschensohnes zu erleben; aber ihr werdet ihn nicht erleben.“ Jesus sagt seinen Jüngern, dass er gehen wird. Maria Magdalena muss bei der Begegnung mit dem Auferstandenen die Erfahrung machen, dass dieser zu ihr sagte: „Halte mich nicht fest.“ Den Emmausjüngern entzieht sich der auferstandene Jesus, nachdem sie ihn erkannt haben. Und genau diese Erfahrung machen Christen auch heute immer wieder. Nach Hoch-Zeiten der Gotteserfahrung und des Glaubens kommen Zeiten der Dürre. Sogar Heilige haben das erlebt, ja, man meint manchmal, dass gerade jene, die sich Gott besonders verbunden gefühlt haben – besonders harte Zeiten der Gottferne erlebt haben. Wir wissen das von Mutter Teresa, die offenbar 50 Jahre ihres Lebens immer wieder dieses Dunkel erlebt hat, wir wissen es von den Mystikern Johannes vom Kreuz und Teresa von Avila oder von der Gründerin der Salesianerinnen Johanna Franziska von Chantal. Wenn auch Sie diese Erfahrung gemacht haben, dass Gott ganz weit weg war, haben Sie also viele Weggefährten, die das auch erlebt haben. Die Erfahrung von Verlassensein erfahren wir immer wieder – so wie sie Gott selbst am Kreuz erfahren hat. Dies mag die eine Antwort Jesu auf unsere Frage sein: Warum entziehst du dich uns? Er antwortet nicht, sondern er leidet mit. Aber er verheißt uns auch, dass eines Tages das Reich Gottes in Fülle kommen wird. „Der Menschensohn wird an seinem Tag erscheinen.“ Halten wir diesen hoffnungsvollen Satz fest, erinnern wir uns daran, wenn wir Christus im Gottesdienst, in der Eucharistie, im Zeugnis der Heiligen, in der Begegnung mit anderen, in geistlichen Gesprächen, in Einkehrtagen begegnen. Ja, er ist immer wieder unter uns, aber er lässt sich nicht festhalten – und doch: Eines Tages wird der Tag des Menschensohns sein – und wir, die uns nach ihm sehnen, werden dabei sein. Urheber: Diakon Raymund Fobes